Markus Wolf – Letzte Gespräche

Iwonne schickte mir das Buch. Samstag kam es an. Habe ich mich gefreut! Ich habe geweint, als ich es in den Händen hielt. Markus Wolf war für mich nach 1989 zu einem Idol geworden. Es würde nicht einfach sein für mich, dieses Buch zu lesen. Erinnerungen an mein Leben in der DDR und deren jähes Ende würden hochkommen, mehr als sonst. Samstag fing ich gleich zu lesen an, im Auto auf der Fahrt zu Moni. Heute, Dienstag habe ich es bereits ausgelesen. Ich, die sonst so langsam liest, habe dieses Buch regelrecht verschlungen. Die ersten 2/3 des Buches, die weit zurückgingen in die Zeit des Faschismus, seiner Anfänge, ergriffen mich eigenartig. Parallelen zu heute zeigten sich. Emigration nach Russland, dort Verfolgung vieler Kommunisten durch Stalin… inzwischen ist bekannt, was in dieser Zeit Schreckliches geschah. Die Familie Wolf blieb verschont.

Beim Lesen des letzten Drittels überkamen mich Zweifel an dem, was ich las. Markus Wolf widersprach sich an manchen Stellen. Seine Auskünfte über das, was unmittelbar mit der Zerschlagung der DDR zu tun hatte, wurden sehr unschlüssig, teilweise karg. Ausweichen auf Nebensächliches. Immer darauf bedacht, sich selbst im rechten Licht darzustellen und nichts, aber auch gar nichts preiszugeben. Widersprüche wurden deutlicher – inhaltliche Widersprüche! Ich begann immer mehr zu zweifeln. Warum sprach er immer von Koni und seinem Vater, von Freunden, der Mutter – wo doch die Fragen eindeutig seine Person betrafen?

Von Gorbatschow sprach Markus Wolf immernoch mit Achtung… Wer heutzutage hier in diesem Staat, in Amerika und anderswo so hochgelobt wird, hat nichts Gutes getan. Gorbatschow hat nach meinem Empfinden die DDR verscherbelt; hat auch die Sowjetunion verraten und verkauft und damit die sozialistischen Länder. Er war vom Westen gekauft – Reformen? – davon hatte er gesprochen, aber nichts zustande gekriegt. Die reformen selbst stammten m.E. aus der feder siener Frau, Philosophin, Theoretikerin – ohne den subjektiven Faktor zu beachten. Er hatte auf die falschen Leute gebaut. Heute wissen wir, wie man Konterrevolutionen vorbereitet. Nach demselben Muster, wie die DDR und die Sowjetunion „friedlich“ durch Wahlen verschwanden, ließ man ganz Osteuropa umkrempeln und macht es bis heute so überall auf der Welt. Eine oppositionelle Minderheit wir durch die Medien international übertrieben einflußreich dargestellt. Mit Geldern der Geheimdienste hat man schnell ein paar Leute gekauft, denen man Macht verspricht. Diese Minderheit zweifelt den Ausgang von Wahlen an – an dieser Stelle wieder der nicht zu verachtende Einfluß der Medien, manipulierte Berichtersttung, gefälschtes Bild- bzw. Filmmaterial, „internationale Empörung“ und der Rücktritt des gewählten Präsidenten erzwungen. Nein, Amerika und Westeuropa geben sich nicht einmal die Mühe ein anderes Szenario vorzubereiten, wo das alte doch so wunderbar funktioniert? Warum spricht Markus Wolf dennoch 2006 mit Achtung von Gorbatschow?

Schewardnadse sagte vor 2 Jahren in der Christiansen – Runde, man habe mit Gorbatschow, Genscher und den USA schon 1984 die Wiedervereinigung Deutchlands beschlossen. Schewardnadse hatte man dafür den Ministerpräsidentenposten in Georgien versprochen und reichliche Kredite. Den Posten konnte er gleich haben – die Kredite blieben aus. Deshalb nutze er die Talkshow, etwas Luft abzulassen. Und Markus Wolf, Chef der Aufklärung, befreundet mit Gorbatschow, will davon nichts gewußt haben? Lächerlich! 1983 quittierete er seinen Dienst als General der Aufklärung, widmete sich dem Schreiben von Büchern…. Ein Jahr vor diesem „Handel“. Ein Mann mit einem solchen Leben, solchen Aufgaben, zieht sich so einfach zurück, um nur noch Rentner zu sein? Unglaubwürdig. Schlag 0:00 Uhr 1989 steht er wieder auf der Matte – in Berlin auf dem Alex. Die Rechnung ging wohl nicht ganz auf – die Öffentlichkeit lehnte ihn ab. Das ist bekannt.

Was ich dann lese, mochte ich kaum zu glauben – seine Autobiografie läßt er in den USA schreiben und verlegen. Geht gar inhaltliche Kompromisse ein. Warum? – Weil er das Geld brauchte (sagt er)! An anderer Stelle sagt er, er sei nicht käuflich. Merkwürdig. Er erzählt von Treffen mit Politikern der BRD, von Talkshows auf denen er auftritt. Er vermarktet sich… Er reist, noch bis 2006 durch die ganze Welt. Wer hat diese Reisen finanziert, wo er doch angeblich nur 800 € Rente bezog? Er behielt seine vom Ministerium ihm zur Verfügung gestellte Datsche am See. Wer gewährte ihm diese Vergünstigungen? Sein Gerichtsprozeß – nur eine Schau? Sein Schweigen – erkauft? „Sagst Du nichts, lassen wir Dich in Ruhe.“? – Nach diesem Prinzip? Klar doch, dann kann man mit ehemaligen Klassengegnern, gegen die er ein Leben lang gekämpft hat, nebeneinander auf Konzerten, zu denen er eingeladen wird, sitzen, in Talkshows plaudern, ohne zu reden…

Für mich ist das alles äußerst widersprüchlich und unschlüssig. Und ich dachte doch wirklich, Markus Wolf war bis zuletzt ein aufrichiger unbeugsamer Mensch… Für mich eine herbe Enttäuschung. Nun hat Markus Wolf sein Wissen mit unter die Erde genommen, ohne Tabula rasa zu machen. Wie schlimm für die weitere Entwicklung Deutschlands…

Es ist schon immer so gewesen, seit Menschengedenken – die Geschichtsschreibung hat nichts damit zu tun, was sich wirklich historisch zutrug. Weil den Schreiberlingen von einer Seite diktiert wurde und wird und andere, die es besser wußten, lieber schwiegen und schweigen, die Wahrheiten mit ins Grab nahmen und nehmen.

Datum: Dienstag, 4. September 2007 17:55
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