3. Arbeitsstation – Bosch-Siemens Hausgeräte

Ich bekam ca. 2 oder 3 Monate nach meiner Arbeit bei Tubo eine auf ein 3/4 Jahr befristete Arbeit im Logistikzentrum bei Bosch-Siemens Hausgeräte in der Exportabteilung als Eyportsachbearbeiterin – dazu verhalfen mir meine englischen und russischen Sprachkenntnisse.

Diese Exportabteilung war im ganzen Logistikunternehmen berühmt-berüchtigt, niemand ging freiwillig dorthin, um etwas zu klären, niemand wollte da länger sein, als unbedingt notwendig. Das erfuhr ich dann im Laufe der Zeit. Wieder mußte ich auf einen Teil meines vorherigen Gehaltes verzichten: satt vorher 4,0 TDM jetzt nur noch 3,5 TDM brutto, mit dem Versprechen. nach meiner Probezeit mehr zu zahlen. Urlaub wurde mir als Berufsanfängerin gewährt – Mindesturlaub also. Keine Unterstützung für Kilometergeld. Wenigstens konnte man damals noch jeden Kilometer steuerlich absetzen. Ich hatte einfache Strecke 125 km, also täglich 250 km, von Esslingen am Neckar, nach Giengen an der Brenz, zu bewältigen und zurück. Wer arbeiten will, geht solche Kompromisse ein!

Mein erster Arbeitstag im Großraumbüro: ich grüße alle – eisige Kälte schlug mir entgegen, niemand grüße zurück. Na Prosit! Der Gruppenleiter gab mir Aufgaben für die nächten 4 Wochen: ich mußte Ablage für Mitarbeiter machen, die das in ihrer Arbeistzeit nicht geschafft hatten. 4 Wochen lang 8 Stunden täglich Ablage. Vielleicht hätte ich das ablehnen können, ich biß jeoch die Zähne zusammen und machte es. Ich wußte nicht, nach welchem Prinzip, was wohin zuzuordnen war, fragte ich jemanden, wurde ich grob angemuffelt, ich soll nicht stören. Irgendwann war der Berg bewältigt.

Ich mußte mich einarbeiten in SAP! Daß es SAP gab, wußte ich, hatte aber noch nie damit zu tun. keine benutzerfreundliche Bedienung, stattdessen nur Codes, die ich in Form einer Liste neben dem Computer fand. Ich sprach eine/n Kollegin/en nach der anderen an, ob man mir etwas erklären könne, NEIN! Ich fragte, ob ich mich wenigsten nur daneben setzen dürfe, NEIN!, das stört. Ich war in dem Zwang LKW mittels der SAP Software zu beladen – Ungarn, Litauen, Rumäneien, vornehmlich, aber wie? Mühsam berechnete ich mir anhand der Maße der Elektrogeräte und des Volumens des LKW, wieviel überhaupt reinpaßte, es gab Listen, wo Bestellungen standen und, das wichtigste! – es gab einen Kampf um bestimmte heiß begehrte Geräte, die nur in geringer Zahl vorhanden waren. Da gab es Schieberien, daß diese Geräte schon im Vorfeld per SAP aus dem Lager genommen wurden, um sie bestimmten Kollegen zuzuschanzen.

Ich nahm mir also eine Bestellung zur Hand und begann meinen ersten LKW zu beladen. Irgendwie kam ich mit der Sofware (SAP) nach und nach zurecht. Es kamen erste Anrufe von Transportunternehmen aus Österreich, Schweden, Deutschland, die diese Länder befuhren. Jeder wollte Aufträge. Ich kannte keine Hierarchien, vergab die ersten Aufträge.

Kollegialität gab es in diesem Großraumbüro nicht. Niemand sprach mit mir, selbst in den Pausen saß ich einsam, wie eine Aussätzige, auf meinem Stuhl und aß mein mitgebrachtes Pausenbrot. Wo war ich da nur hingeraten?!

Eine Kollegin: „Frau R., Sie haben ja LKW beladen?! Wie haben Sie das geschafft? Zeigen Sie mal her, ob das stimmt. Wer hat ihnen geholfen?“ Alles war richtig. Diese Kollegin wurde das eine Mal gesprächig und sagte weiter: „Tja, ich habe ja nicht studiert, so wie Sie, aber ich vediene viel mehr als Sie. Für Ihren Hungerlohn würde ich früh nicht aufstehen. Und Urlaub habe ich auch viel mehr als Sie, fast den doppelten.“ Sie war 12 Jahre jünger als ich, posaunte raus, daß sie mit einer Kollegin vom Betriebsrat befreundet sei, die ihr alles über meinen Arbeitsvertrag gesagt habe.
Ich telefonierte russisch und manchmal englisch. Sagte diese Kollegin: „Was, englisch können Sie auch?! – Woher können Sie das alles?!“ Irgendwie schaffte ich es, am Tag ein paar LKW zu beladen – ich kam an die Menge der „Profis“ ran. Kaum jemand von den so viel mehr verdienenden KollegInnen sprach englisch, geschweige denn russisch. Manchmal wußten sie, daß es mich gab, wenn etwas übersetzt werden sollte, oder ein LKW-Fahrer kein deutsch sprach.

Daß ich es geschafft hatte, die Leistung der anderen zu erreichen, ohne jemandes Hilfe, konnte nicht angehen! Der Gruppenleiter mischte sich ein – ich sollte für 2 andere Kollegen LKW beladen, die stünden derart unter Druck und bräuchten Hilfe.  Ich half – gern doch! Und belud 1 knappen Monat lang für 2 Kollegen LKW.

Monatlich mußten wir unseren Arbeitsnachweis in Form von LKW-Ladungen nachweisen. Ich hatte enorm viel geschafft mehr als andere. Mein Gruppenleiter kam wieder. Ich hätte nicht korrekt abgerechnet. Da seien ja jede Menge LKW anderer Kollegen, denen ich geholfen hatte. „Das ist natürlich nicht Ihr Umsatz – das muß den Kollegen gutgeshrieben werden.“ erklärte er mir. Ich war fassungslos: es war doch meine Monatsarbeit! So hatte ich nach dem Papier am Monatsende fast nichts getan, die anderen dafür um so mehr!

Ich bekam daraufhin Besuch vom Abteilungsleiter – er sei unzufrieden mit meiner Leistung, deshalb bekäme ich nicht, wie vorher vereinbart, mehr Gehalt, sondern bleibe auf dem niedrigen Niveau. Ein fieses, hinterhältiges Spiel wurde da auf meine Kosten gespielt!

Dann waren Überstunden angesagt – wir mußten uns 16:00 Uhr aus dem System abmelden, dann wieder ohne Zeituhr an unsere Arbeitsplätze und unentgeltlich ein paar Stunden dranhängen. Für mich bedeutete das, daß ich, bedingt durch 3 Stunden Fahrzteit und mehr, je nach Verkehrslage, weniger Schlaf abbekam und täglich  zweimal übermüdet die Autobahn auf- und abraste.

Kurz vor Weihnachten barmte Siemens, man könne leider kein Weihnachtsgeld zahlen, die Geschäftslage erlaube es nicht. Es gab Sachprämien. Sogar ich, die ich erst 1/2 Jahr dabei war, bekam einen Fön und eine elektrische Brotschneidemaschine. Das freute mich, weil ich damit nicht gerechnet hatte!

Nur einen Monat später verkündete Siemens in der Betiebszeitung Rekordgewinne. Das paßte doch gar nicht zusammen!
Als der befristet Vetrag nach dem 3/4 Jahr auslief ließ ich nicht verlängern, es ging psychsich und physisch an den Rand des Belastbaren. Als ich am letzten Tag ging und mich, anständig, wie ich bin, von allen verabschieden wollte, reagierten die Kollegen wie am ersten Tag – mit Eiseskälte, ich war einfach Luft.

Datum: Samstag, 20. Februar 2010 19:25
Themengebiet: Arbeitsstationen im Westen des Landes Trackback: Trackback-URL
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