Beiträge vom September, 2007

Klassentreffen…

Montag, 24. September 2007 11:55

…und eine tränenreiche Heimfahrt. Abiturklasse Abschluß 1972. Ich habe es gewußt – bzw. geahnt, aber ich hatte doch einen Funken Hoffnung, deshalb fahre ich die 515 km nach Halle und dieselbe Strecke zurück. Auf dem Hinweg von Anfang an Stau und schleppendes Vorankommen. Wer plant ein Klassentreffen am Ferienende? Zu allem Übel fühle ich mich bereits über eine Woche krank, Husten, Kopfschmerzen, etwas Schnupfen, Fieber… eigentlich hätte ich mich ins Bett legen sollen anstatt eine solche Tour auf mich zu nehmen. Annekathrin sagte mir: „Dein Körper wehrt sich gegen diese Fahrt; Du solltest auf deinen Körper hören.“. Ich hörte nicht auf ihn…

Ausgewählt war am Samstag ein gutes Restaurant fast im Zentrum von Halle. Ab 18:00 Uhr war für uns reserviert. Kaum lohnend für so eine kurze Zeit die dreifachre Wegzeit inkauf zu nehmen.

Ein recht kleines Grüppchen sitzt an einer langen Tafel, als ich komme. Ein paar ehemalige Klassenkameraden hatten leider abgesagt. Natürlich setze ich mich zu I. und T.. Mit I. teilte ich einst die Schulbank, und wir verstehen und bis heute gut. Weiß der Kuckuck, wie es einige geschafft hatten, aber nach der Wende begann für sie die Karriere, saßen zu DDR-Zeiten in zweiter und dritter Position. Für mich ging nach der Wende die Karriere zuende, denn ich biederte mich nicht an für „Staatsdienste“. Als mir 1992 eine Stelle im Finanzministerium Magdeburg angeboten wurde, lehnte ich mit den Worten: „Ich – Diener dieses Staates? – Niemals!“ ab.

S., die diesen Satz irgendwann einmal mir gegenüber formulierte, tauschte ihre Gesinnung gegen einen Leitungsposten bei einer Versicherung ein. Sie hatte nach dem Abi in Jena Philosophie studiert, dann ein Studium an der Parteihochschule und anschließend an der Parteihochschule promoviert. Als sie 1990/91 nicht mehr an der Uni lehren durfte, wie so viele unserer DDR-Dozenten, schwang sie die rote Fahne noch sehr hoch, wir saßen oft zusammen und tauschten unsere Gedanken zum Thema Einverleibung der DDR und daraus resultierende Folgen. Damals waren wir uns immer näher gekommen. Als man ihr 1992 bei der Versicherung einen leitenden Posten anbot, hängte sie mit Postenübernahme ihre einstige Einstellung an den Nagel. Von Stund an schwang sie Reden, wie arbeitsscheu doch die Angestellten seien, kein Gefühl für Gewinn und für gute Geschäfte hätten sie und sie müsse sich um vieles selbst kümmern, damit die großen Fische ihr – natürlich der Versicherung! – nicht durch die Lappen gingen. Wie schnell sie sich doch mit diesem System identifizierte. Ein anderes Gesprächsthema gab es kaum, wenn wir uns sahen. Oh doch: niemals läßt S. es unerwähnt, daß sie sich in der gehobeneren Gesellschaft sehen lassen „müsse“ – sie sei ja so beschäftigt außerhalb der Arbeitszeit, durch Empfänge und sonstige Veranstaltungen. Sie müsse ja etwas für ihr Ansehen tun. Man kennt sie in Halle und sie müsse ihren Verpflichtungen nachkommen, das sei wichtig für’s Geschäft. Bereits vor ein paar Jahren brach ich schweren Herzens den Kontakt zu S. ab. Es tat mir weh, diese Freundschaft aufzugeben. Noch mehr tat es aber weh, diese Metamorphose mit anzusehen. Ich schickte ihr eine letzte e-Mail, wo ich ihr meine Gründe mitteilte, die sie nie recht verstand. Warum eigentlich? Sie muß sich ja über andere Dinge mehr den Kopf zerbrechen – über die Motivation der ihr Untergebenen, daß sie genug Gewinn einbringen, der sich letztlich in ihrem Portemonnaie niederschlüge, über die richtige Garderobe zum nächsten Anlaß, in welchem Restaurant sie sich wieder sehen lassen müsse und welches Event sie auf keinen Fall auslassen dürfe. Ähnliche Gespräche führte S. auch an diesem Wochenende.

E., der nach der Wende bei der Treuhand den Untergang der ehemaligen DDR Betriebe mitorganisierte und dort mit seinen Gutachten ehemalige DDR – Betriebe, u.a. auch Robotron, abzuwickeln half, hatte einst sozialistische Planwirtschaft studiert. Beste Voraussetzungen, den Untergang selbst gewinnbringender Betriebe wie Robotron zu planen. – Gelernt ist eben gelernt. Wenn ich weiß, wie man die Volkswirtschaft plant, weiß ich auch, wie man sie verplant – verscherbelt. Und weil er seine Gutachten ohne jegliche Skrupel im Sinne seiner neuen Herren ausführte, darf er heute direkt für einen Wirtschaftsminister zuarbeiten. Das monatlich auf dem Konto eingehende Geld stimmt bestens – pfeif auf eine Gesinnung, von der man nicht mehr leben kann. Sie war früher vonnutzen, heute sehr, sehr störend. Am besten man redet gar nicht darüber und wenn doch, dann tut man es lachend als jugendliche Dummheit ab. Oder, was auch gut ist: für die Karriere mußte man ja so tun, als stünde man zur DDR.

T. ist er selbst geblieben – zwar hat auch er einen Posten abbekommen, hat aber nicht den kritsichen Blick auf gesellschaftliche Prozesse verloren und engagiert sich, wo es machbar ist, wie in manchen Bürgeinitiativen. T. hatte Landwirtschaft studiert und verwaltet jetzt die Computer der Behörde. Fachkräfte wie ich, die die meiste Zeit des Lebens mit Computern gearbeitet und andere gelehrt haben, sich stetig qualifizierten, Zertifikate erwarben, sind arbeitslos, damit Quereinsteiger deren Arbeit übernehmen… Eine verrückte Welt.

I., schon zu DDR – Zeiten ein erfolgreicher Physiker, ist seit der Wende sehr erfolgreich selbständig. Er prahlt nicht und ist geblieben, der er schon immer war. Naja, ein klein wenig muß man bei der Konkurrenz wenigstens durchblicken lassen, wie gut es einem geht. Das sei gestattet….

R. ist sehr ruhig geworden, seit Magdeburgs Presse nicht mehr über ihre Garderobe, speziell ihre Hüte, zum letzten Pferderennen berichtet. Der Konsum, in dem sie als Frau Vorstandsmitglied war, ist vor ein paar Jahren auch abgewickelt worden. Bis zuletzt hat sie für ihre Angestellten gekämpft; sie wollte für jeden einen Arbeitsplatz finden, was nicht möglich war und hat, wie sie mir erzählte, oft um die Mitarbeiter geweint. Mit dem Konsum war auch R. abgewickelt. Als wir uns das letzte Mal sprachen, sagte sie mir, sie genieße die Zeit ohne den Streß und ist nicht unglücklich, ohne Arbeit zu sein. Ich habe es ihr nicht ganz gelglaubt, aber auch wieder verstanden. Ob sie jetzt wieder arbeitet, weiß ich nicht. Ich habe sie nicht gefragt. Wie gesagt, sie ist sehr ruhig geworden oder hatte nicht einen der guten Tage. Auf mich wirkte sie irgendwie unglücklich.
Wenn ich R. ansehe, denke ich spontan an einen ihrer Geburtstage vor ein paar Jahren, zu dem ich auch eingeladen war. Wir feierten rein, blieben also die halbe Nacht munter bis 1:00 Uhr. Wir überreichten unsere Geschenke, einzelne davon waren ihr keines Blickes würdig – dann sagte sie zu K.: „Und, schenkst du mir nichts?“. Ich hatte R. immer als ruhige, bescheidene und liebenswerte Mitschülerin, dann als Frau gekannt; diese Art an ihr kannte ich bis dahin noch nicht. K. brachte das Geschenk – ein sauteures Kostüm aus irgendeiner namhaften Boutique, das ihrem kritischen Blick bestehen mußte. Keine Freude brachte ein Lächeln auf ihr Gesicht, keine Geste, kein „Danke“… Diese Momente empfand ich als sehr unangenehm – eine Frau, die alles hat und der man kaum noch eine Freude machen kann…
K., ihr Mann, ist auch angekommen im vereinigten Deutschland. Er war, wie R., noch nie ein politischer Mensch. Zumindest nach außen. Man findet sich überall zurecht, muß nur die Windrichtung im Auge behalten. Wichtig ist, daß man immer ein Stück vom Schinken abbekommt. Seine Arbeit kann er immer tun, was er denkt, gibt er niemals preis. – Das hat schon zu DDR-Zeiten geklappt.

Das Gespräch läuft an: welche Tanzveranstaltungen in den Klassen 10 bis 12 besucht wurden, welche Erlebnisse man hatte. Wohin man in welchen Ferien mit wem verreist war. Jemand schaut mich an: „Weißt Du noch, Petra?!“ – „Ich war wohl nicht in dieser Klasse.“ sage ich traurig. Keiner wußte um meine Kindheit. Ich erkläre, daß ich zu Hause nur eingesperrt wurde, niergendwohin durfte und für alles Mögliche geprügelt wurde. Vom Betatscht werden und beinahe täglichen Erniedrigungen spreche ich nicht, auch nicht, daß dieser Mann meiner Schwester und mir ständig vorwarf, daß wir nicht seine Kinder waren. Ich hatte Angst, nach Hause und war glücklich frühmorgens zur Schule zu gehen. Am Anfang saß ich oft im Uterricht und wünschte, mein leiblicher Vater käme und nähme mich mit. Aber der durfte uns nicht besuchen, ich habe ihn, als ich 4 Jahre war, das letzte Mal gesehen. Weil ich schon mit 4 Jahren lesen und schreiben konnte, schrieb ich ihm Briefe und Postkarten und wunderte mich, daß Antworten ausblieben. Wie sollte ich ahnen, daß meine Post gar nich auf Reisen ging. Meine Mutter versteckte und vernichtete sie, daß sie ihr neuer Mann niemals fände. Ich hatte in diesem Alter zu meiner Schwester gesagt: „Unser anderer Papa war viel lieber.“, was sie sofort weitererzählte. Dafür bekam ich Schläge. Ich sage in die Runde: „Keinem von Euch war es je aufgefallen, daß ich nicht dabei war.“ – „Warum hast Du nie darüber gesprochen?“ – „Weil ich Angst hatte und mich schämte.“ Ich ringe mit den Tränen und erwähne noch, daß meine Mutter heute noch, wo mein Stiefvater schon ein paar Jahre tot ist, nichts davon wissen will und dieses Thema abwehrt oder es mit „Das stimmt doch gar nicht!“ oder „Er wollte doch immer nur Euer Bestes.“ nicht wahrhaben will. Da bin ich 53 Jahre und die Kindheit hängt mir so stark an, daß es immernoch so sehr schmerzt, mich Alpträume verfolgen, ich auf bestimmte Situationen für andere völlig unverständlich reagiere und ich darüber noch heute in Tränen ausbreche.

In unserer Ecke, wo ich sitze, erzählt man sich von beliebten Urlaubszielen. Ich erwähne, daß ich keine Lust verspüre, in andere Länder zu reisen, mir dort Luxus bieten zu lassen und die Armut , das Elend der Einheimischen zu sehen, daß ich dann Gewissenskonflikte bekomme, wie 1992 in Tunesien. Daß es uns in Europa vergleichsweise besser geht, ist doch nur auf Kosten dieser anderen Länder. – Nein, so sei das wahrlich nicht. Da sind sich E. und I. einig. I. erklärt es mir: „Die Menschen sind in ihrer Armut doch viel glücklicher als wir mit unsererm Wohlstand.“ Na da muß ich mal in aller Ruhe drüber nachdenken…

Über die anderen kann ich nur wenig schreiben, weil ich, bedingt durch meine starke Erkältung, auf meinem Platz sitzen blieb und die Gespräche am anderen Ende des Tisches nicht mitbekam. Ich ließ es mir nicht nehmen, die in meiner Nähe Sitzenden zu fragen: „Ihr alle seid also angekommen in dieser Gesellschaft?“. Wie kommt es – denn wir waren doch früher allesamt auf einer Linie, politisch aktiv, hatten eine Haltung, eine Überzeugung – nichts davon mehr da? Zunächst Schweigen, unsicheres Lächeln. Dann der Spruch, den ich nicht mehr hören kann: „Wir waren doch wirklich eigesperrt in der DDR.“ sagt E.. „Es hat nicht funktioniert, man muß ein besseres Leben über Reformen und Wahlen anstreben. Die „Diktatur des Proletariates“ hat sich als falsch herausgestellt.“ Ist das wirklich E., der das von sich gibt? Ich sage, sie dürften nicht von sich ausgehen… was nützt die Freiheit, wenn sich immer mehr Menschen keine Reisen leisten können, weil sie mehr darüber nachdenken müssen, wie sie den nächsten Tag finanzieren können. Jetzt darf man zwar Reisen, kann es sich aber nicht leisten. – Ihr dürft doch nicht nur Euch selbst sehen, die Ihr Euch alles leisten könnt. Denkt Ihr nicht auch mal an die Menschen neben Euch, die manchmal nicht wissen, wie sie satt werden?“ – „Höre doch mit diesem Spruch auf!“ sagt E.. Das ist kein Spruch, das ist Realität! – Ich lasse nicht nach: Die „Reformen“, die den Lebenstandart immer mehr abbauen, sind doch nur möglich, weil das sozialistische Lager zusammengebrochen ist. Jetzt kann man die Hosen runter~ und ungehemmt den Kapitalismus „blühen“ lassen. – Wenn ich etwas ändern wolle, solle ich es doch tun, solle mir eine Plattform dafür suchen. Auch den Lafontain lege mir E. nahe, das wäre doch vielleicht der Mann! – Nein, es ist doch traurig, daß ein Lafontain links von der PDS steht, wende ich ein. Und da ich die Zeit sehr wohl einschätzen könne, daß die Menschen überhaupt nicht bereit sind, etwas zu tun. Sie plappern meist gedankenlos nach, was ihnen die Medien vorgeben, weil sie es nicht besser wissen. Ich könnte doch aber erwarten, daß meine Klassenameraden, die über die gleiche Bildung wie ich verfügen, die Gesellschaft schon kritisch zu betrachten in der Lage sind. Und schon bezeichnet mich E. als „Betonkopf“. Als ich dann noch sage, daß die Wende von langer Hand vorbereitet war, meint er – das sei ja Blödsinn! – Jetzt führt er gar Stalin an, der vielleicht, man könne es ja nicht wissen, die Wiedervereinigung schon 1945 für 1990 vereinbart habe? Das waren keine Geheimdienste, die Gelder in Millionen- oder Milliardenhöhe fließen ließen. Nein, es ist keine Dummheit von E., es ist Frechheit – er steht tatsächlich mit beiden Beinen in dem Morast dieser Gesellschaft, der für ihn offensichtlich nicht stinkt, sondern einem Wellnessbad gleicht. Zum Schluß setzt E. noch einen drauf: „Es ist wirklich schlimm, was derzeit in Israel und im Irak los ist.“ ‚Ein Hoffnungsschimmer‘ denke ich erfreut, greife das Thema auf – aber Nein! – Schlimm sind nicht die Amerikaner oder die Israeli, schlimm sind die Selbstmordattentäter, die Spaltung und Unruhen zwischen den Glaubensgruppen. Schade…, nein beschämend für einen doch gut gebildeten Menschen. Die anderen, die drum herum sitzen, schweigen. Zweimal vertritt wenigstens T. meine Meinung, R., der Lehrer, wiegt, wie man ihn kennt, lächend und nachdenklich seinen Kopf. Als ich dann noch die „Junge Welt“ erwähnte die lesenswert ist, habe ich vollends „verloren“ (?). Dann setzen sich die meisten etwas weiter vor zu den anderen. Gespräche wie meine machen die Stühle unbequem. Was geht uns die Armut oder Chancenlosigkeit der anderen an? Reden wir doch über die angenhemen Dinge des Lebens – wo waren wir im letzten Jahr im Urlaub? – In Bali. Ja, die Maledieven sind auch wunderschön und für Neuseeland müssen wir das nächste Mal mehr Zeit einplanen…

X. setzt sich zu mir und bringt das Thema auf meine geliebten Hunde. Naja, nun, weit weg von Politik, kann man ja wieder mit Petra reden. – Wie groß sind die Hunde? Was fressen die? Nein, soche Hunde kennen wir nicht. Man ist erleichtert, daß das Unangenheme überstanden ist. Schade, daß Du keinen mitgebracht hast. Gut, das nächste Mal vielleicht. Wenn ich noch einmal kommen sollte.

Es ist inzwischen 0:00 Uhr, wir brechen auf. T. nimmt mich und I. mit dem Auto mit, so brauche ich kein Taxi zu bestellen. S. müsse am Sonntag unbedingt auf dem Markt mit dem zum Salzfest aufgebauten Riesenrad fahren. Ob die Mitteldeutsche Zeitung wohl darüber berichten wird?

Um es klarzustellen: ich gönne jedem eine gute Arbeit. Was ich jedoch nicht verstehe, daß man 40 Jahre seines Lebens eine Weltanschauung vertritt und diese urplötzlich ablegt wie ein zerrissenes Kleidungsstück. Für ein solches Verhalten empfinde ich nur Verachtung. Auch ich hatte nach der Wende Arbeit für die ich mich engagierte. Ich blieb immer ich, habe mich nicht „gewandelt“, weil meine Weltanschauung ehrlich ist. Ich habe keinen Grund diese zu verbergen. Auch wenn ich persönlich keine Not zu leiden habe, weil mein Mann gut verdient, sehe ich doch sehr genau, was auf dieser Welt und in Deutschland vor sich geht: sozialer Kahlschlag, Kriege, Arbeit, von deren Einkommen immer mehr Menschen nicht mehr leben können…

(Alle Namen habe ich durch beliebige Buchstaben ersetzt.)

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Jeder Mensch hat ein Recht auf Verteidigung!

Dienstag, 11. September 2007 14:29

Prinzipiell bin ich gegen jeglichen Krieg in dem Unschuldige hingemetzelt werden. Wenn jemand in Regierungskreisen Lust auf tätige Auseinandersetzung verspürt, sollte diese Person selbst ein Schwert in die Hand nehmen und seinen Gegner herausfordern anstatt ein ganzes Heer an Soldaten loszuschicken. Ein Bush würde sich vermutlich als Feigling entpuppen – er würde doch nicht im Schutzengraben liegen, schon gar nicht 1:1 seinem Gegner mit besagtem Schwert gegenüberstehen wollen… Sehr wohl bin ich dafür, daß sich jedes Land, das angegriffen wird, verteidigen kann. Angesichts der Art und Weise, wie hauptsächlich heute die USA Kriege gegen andere Länder führen, hat das rein gar nichts mehr mit einem Krieg im herkömmlichen Sinne zu tun: ein Land wird angegriffen und verteidigt sich. Nein, heute geht das anders. Und das aus gutem Grund – die Waffen und deren Technik sind andere geworden. Jeder Beteiligte an einem Krieg, auch Angreifer, würden bei gleichguter Rüstung schlimme Verluste hinnehmen müssen.

Dagegen ist den USA etwas eingefallen: Zunächst werden Länder, deren Rohstoffe interessant genug sind, international denunziert. Behauptungen werden ohne Beweise aufgestellt und niemand getraut sich so recht, den USA zu widersprechen. Dafür gibt es 2 Grunde: 1. besteht eine Abhängigkeit von den USA und 2. möchte man doch wenigstens auch etwas von dem „Kuchen“ abhaben. Perverser Weise gibt es bereits zu Kriegsbeginn internationales Gerangel um Aufträge beim späteren Wiederaufbau – jeder will am Krieg verdienen.

Nach Aufstellung dieser Behauptung wird das Land aufgefordert, sich zu entwaffnen – sozusagen als Beweis, daß man guten Willens ist. Die Entwaffnung wird gar überprüft und alle Karten auf den Tisch gelegt – einseitig, versteht sich. Wenn sich die USA dann sicher sind, daß keine größere Gefahr für sie und ihre Soldaten droht, drohen kann, gehen sie mit ihren Bündnispartnern zum Angriff über. Einmal entwaffnet kann kein Land seine Bevölkerung, seine Reichtümer schützen. Alles ist diesem brutalen Krieg ausgeliefert. Die Neuaufteilung der Welt ist in vollen Zügen.

Wie also sollen sich Menschen verteidigen, die keine bis auf die Zähne bewaffneten Armeen haben, die über keine Raketen und Bomben verfügen? Sie müssen auf eine andere Art Verteidigung „ausweichen“. Folglich werden sie mit ihren ganz bescheidenen Mitteln versuchen, die Kriegstreiber, die Verantwortlichen für die Zerstörung ihrer Länder in deren Innerstem zu treffen. Sie begeben sich beispielsweise in die USA oder in deren Stützpunkte und zünden selbstgebastelte Bomben – oft ist der Preis dafür das eigene Leben. Ganz gleich die Palästinenser – sie werden von Israel mit Panzern, Raketen und schwerer Artillerie angegriffen sind selbst unbewaffnet. Natürlich bleibt ihnen nichts anderes übrig, als mit primitiven selbstgebauten Bomben ihre Verteidigung auszuüben.

Dafür werden sie international als Terroristen bezeichnet. Die wahren Terroristen sind jedoch diejenigen, die einen derart ungleichen Krieg beginnen, um sich fremdes Eigentum anzueignen, die nicht annähernd zur Verteidigung bereite Länder angreifen und in die Knie zwingen, nicht diejenigen, die sich mit ihren bloßen Händen zu verteidigen suchen. Die Welt ist aus ihren Fugen geraten. Und tagtäglich begegnen mir Menschen, die gedankenlos nachplappern, daß jeder, der eine Bombe zündet, ein Terrorist sei. Man zeigt mit den Fingern auf sie, um jeglichen Widerstand im Keime zu ersticken.

Inzwischen sind die USA dabei, das Staatseigentum am irakischen Öl aufzuheben und in internationalen Privatbesitz zu übetragen . In wessen Besitz? – Natürlich in die USA – Großbritannien, Frankreich werden eine Kleinigkeit abbekommen. Und Deutschland? Die Deutschen buhlen inzwischen um die Gunst der „Großen“, indem sie sich endlich am Krieg beteiligen. Sie verteidigen das deutsche Land in Afghanistan.

Vor lauter Angst vor den Folgen der Kriegsbeteiligung werden in Deutschland vermeintliche Terroristen und solche, die es werden könnten, aufgespürt. Jeder, der diesem Kriegstreiben kritisch gegenübersteht, macht sich verdächtig.

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Markus Wolf – Letzte Gespräche

Dienstag, 4. September 2007 17:55

Iwonne schickte mir das Buch. Samstag kam es an. Habe ich mich gefreut! Ich habe geweint, als ich es in den Händen hielt. Markus Wolf war für mich nach 1989 zu einem Idol geworden. Es würde nicht einfach sein für mich, dieses Buch zu lesen. Erinnerungen an mein Leben in der DDR und deren jähes Ende würden hochkommen, mehr als sonst. Samstag fing ich gleich zu lesen an, im Auto auf der Fahrt zu Moni. Heute, Dienstag habe ich es bereits ausgelesen. Ich, die sonst so langsam liest, habe dieses Buch regelrecht verschlungen. Die ersten 2/3 des Buches, die weit zurückgingen in die Zeit des Faschismus, seiner Anfänge, ergriffen mich eigenartig. Parallelen zu heute zeigten sich. Emigration nach Russland, dort Verfolgung vieler Kommunisten durch Stalin… inzwischen ist bekannt, was in dieser Zeit Schreckliches geschah. Die Familie Wolf blieb verschont.

Beim Lesen des letzten Drittels überkamen mich Zweifel an dem, was ich las. Markus Wolf widersprach sich an manchen Stellen. Seine Auskünfte über das, was unmittelbar mit der Zerschlagung der DDR zu tun hatte, wurden sehr unschlüssig, teilweise karg. Ausweichen auf Nebensächliches. Immer darauf bedacht, sich selbst im rechten Licht darzustellen und nichts, aber auch gar nichts preiszugeben. Widersprüche wurden deutlicher – inhaltliche Widersprüche! Ich begann immer mehr zu zweifeln. Warum sprach er immer von Koni und seinem Vater, von Freunden, der Mutter – wo doch die Fragen eindeutig seine Person betrafen?

Von Gorbatschow sprach Markus Wolf immernoch mit Achtung… Wer heutzutage hier in diesem Staat, in Amerika und anderswo so hochgelobt wird, hat nichts Gutes getan. Gorbatschow hat nach meinem Empfinden die DDR verscherbelt; hat auch die Sowjetunion verraten und verkauft und damit die sozialistischen Länder. Er war vom Westen gekauft – Reformen? – davon hatte er gesprochen, aber nichts zustande gekriegt. Die reformen selbst stammten m.E. aus der feder siener Frau, Philosophin, Theoretikerin – ohne den subjektiven Faktor zu beachten. Er hatte auf die falschen Leute gebaut. Heute wissen wir, wie man Konterrevolutionen vorbereitet. Nach demselben Muster, wie die DDR und die Sowjetunion „friedlich“ durch Wahlen verschwanden, ließ man ganz Osteuropa umkrempeln und macht es bis heute so überall auf der Welt. Eine oppositionelle Minderheit wir durch die Medien international übertrieben einflußreich dargestellt. Mit Geldern der Geheimdienste hat man schnell ein paar Leute gekauft, denen man Macht verspricht. Diese Minderheit zweifelt den Ausgang von Wahlen an – an dieser Stelle wieder der nicht zu verachtende Einfluß der Medien, manipulierte Berichtersttung, gefälschtes Bild- bzw. Filmmaterial, „internationale Empörung“ und der Rücktritt des gewählten Präsidenten erzwungen. Nein, Amerika und Westeuropa geben sich nicht einmal die Mühe ein anderes Szenario vorzubereiten, wo das alte doch so wunderbar funktioniert? Warum spricht Markus Wolf dennoch 2006 mit Achtung von Gorbatschow?

Schewardnadse sagte vor 2 Jahren in der Christiansen – Runde, man habe mit Gorbatschow, Genscher und den USA schon 1984 die Wiedervereinigung Deutchlands beschlossen. Schewardnadse hatte man dafür den Ministerpräsidentenposten in Georgien versprochen und reichliche Kredite. Den Posten konnte er gleich haben – die Kredite blieben aus. Deshalb nutze er die Talkshow, etwas Luft abzulassen. Und Markus Wolf, Chef der Aufklärung, befreundet mit Gorbatschow, will davon nichts gewußt haben? Lächerlich! 1983 quittierete er seinen Dienst als General der Aufklärung, widmete sich dem Schreiben von Büchern…. Ein Jahr vor diesem „Handel“. Ein Mann mit einem solchen Leben, solchen Aufgaben, zieht sich so einfach zurück, um nur noch Rentner zu sein? Unglaubwürdig. Schlag 0:00 Uhr 1989 steht er wieder auf der Matte – in Berlin auf dem Alex. Die Rechnung ging wohl nicht ganz auf – die Öffentlichkeit lehnte ihn ab. Das ist bekannt.

Was ich dann lese, mochte ich kaum zu glauben – seine Autobiografie läßt er in den USA schreiben und verlegen. Geht gar inhaltliche Kompromisse ein. Warum? – Weil er das Geld brauchte (sagt er)! An anderer Stelle sagt er, er sei nicht käuflich. Merkwürdig. Er erzählt von Treffen mit Politikern der BRD, von Talkshows auf denen er auftritt. Er vermarktet sich… Er reist, noch bis 2006 durch die ganze Welt. Wer hat diese Reisen finanziert, wo er doch angeblich nur 800 € Rente bezog? Er behielt seine vom Ministerium ihm zur Verfügung gestellte Datsche am See. Wer gewährte ihm diese Vergünstigungen? Sein Gerichtsprozeß – nur eine Schau? Sein Schweigen – erkauft? „Sagst Du nichts, lassen wir Dich in Ruhe.“? – Nach diesem Prinzip? Klar doch, dann kann man mit ehemaligen Klassengegnern, gegen die er ein Leben lang gekämpft hat, nebeneinander auf Konzerten, zu denen er eingeladen wird, sitzen, in Talkshows plaudern, ohne zu reden…

Für mich ist das alles äußerst widersprüchlich und unschlüssig. Und ich dachte doch wirklich, Markus Wolf war bis zuletzt ein aufrichiger unbeugsamer Mensch… Für mich eine herbe Enttäuschung. Nun hat Markus Wolf sein Wissen mit unter die Erde genommen, ohne Tabula rasa zu machen. Wie schlimm für die weitere Entwicklung Deutschlands…

Es ist schon immer so gewesen, seit Menschengedenken – die Geschichtsschreibung hat nichts damit zu tun, was sich wirklich historisch zutrug. Weil den Schreiberlingen von einer Seite diktiert wurde und wird und andere, die es besser wußten, lieber schwiegen und schweigen, die Wahrheiten mit ins Grab nahmen und nehmen.

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Bundesdeutsche Rentenberechnung

Dienstag, 4. September 2007 10:39

Jeden Morgen dasselbe… Edwin geht auf Arbeit, ich bleibe zurück. Eine unbeschreibliche Schwere überfällt mich tagtäglich – ich gehöre nicht mehr dazu. Dann sitzt mir ein Kloß im Hals und ich kämpfe mit Tränen. Ich habe das Gefühl, daß ich mich wohl niemals damit abfinden werde, auch gar nicht will. Zu tun hätte ich – saubermachen, Essen kochen, Wäsche waschen. Als ich noch 8 Stunden täglich gearbeitet habe, gingen mir diese Dinge sehr leicht von der Hand, sie gehörten selbstverständlich dazu – jetzt frage ich mich: „Ist das alles, ist das nun mein Leben?“. Die Kinder, 31 und 28 Jahre, sind längst aus dem Haus, haben sich abgenabelt. Ich hätte eigentlich noch 12 Arbeitsjahre vor mir; neurdings sogar etwas mehr. Die Wende kam zu einem Zeitpunkt, wo ich, mit 36 Jahren genug Erfahrung hatte, mehr Verantwortung zu übernehmen. Erfahrung ist in diesem Staat nicht gefragt – und schon gar nicht Erfahrung in einem DDR – Betrieb. Die Hausarbeit bleibt liegen – ich habe ja morgen auch noch Zeit – und das Grübeln beginnt…

Die Rentner, wie meine Mutter, wurden gut mit reichlich Rente versehen, auf daß sie ja ruhig bleiben. Meine Mutter z.B. hat nie studiert, ist gelernte Verkäuferin, hat dann im Büro als Sachbearbeiterin bei der SED Stadtleitung gearbeitet. Man hat ausgerechnet, was sie vergleichsweise auf einer solchen Arbeitsstelle hier in den alten Budesländern verdient hätte. Sie bekommt heute eine sehr gute Rente, dazu noch Wittwenrente, unternimmt ständig Reisen, kauft sich, was immer sie möchte…

Ich habe fast 28 Arbeitsjahre, Studim und Abizeit werden nicht angerechnet, und werde dafür 643,30 Euro Rente erhalten, keiner weiß, was diese Rente in 12, 13 Jahren noch wert ist. Bei meiner Generation wird nicht mehr hochgerechnet, was ich für meine Tätigkeit in den alten Bundesländern vergleichsweise verdient hätte. Begründung: „Sie hatten ja nach der Wende ausreichend Zeit, genügend Geld zu verdienen.“ Welcher Hohn!

Hinzu kommt, dam man hierzulande nur den Teil des DDR-Gehaltes zur Rentenberechnung heranzieht, von dem Sozalabgaben abgezogen wurde. Das waren ca. 600 DDR-Mark (das weiß ich nicht genau, wieviel exakt). Was man mehr verdiente, wird nicht herangezogen zur Rentenberechnung – also doppelter Betrug.

Edwin, der ein paar Jahre jünger ist als ich, bisher ca. 13 Arbeitsjahre, hat jetzt schon einen doppelt so hohen Rentenanspruch im Vergleich zu mir. Er stammt aus dem Ruhrgebiet, hat in Dortmund an der Uni Informatik studiert und von Anfang an recht gut verdient.

Zu DDR-Zeiten habe ich bei Robotron im Schulungszentrum Leipzig Lehrgänge gehalten für internationale (oft Dipl. ) – Ingenieure von großen Rechenanlagen. Ich unterrichtete die Techniker in Assembler (Programmierung) und Betriebssystem. Für diese Tätigkeit erhielt ich anfangs 750 Mark, später um die 800 Mark. Oh man, was hätte ich vergleichsweise wohl in den alten Bundesländern dafür bekommen?! 1989 hatte ich ein Gehalt von 1040 Mark. Diese Gehälter werden nun zur Berechnung meiner Rente genommen, mit 2 % hochgerechnet. Jeder kann sich ausrechnen, daß man hier, in der Bundesrepublik, davon nicht leben kann. 630 € Rente – für 28 Arbeitsjahre, für eine hochqualifizierte Tätigkeit. Dafür könnte man gerade mal die Miete zahlen, Nebenkosten wären kaum abgedeckt. Und wovon sollte ich leben? Ich werde abgestraft, weil ich im Osten dieses Landes geboren wurde, aufwuchs, dort studierte und arbeitete. Dabei hatte ich das Glück, auch nach der Wende noch ein paar Jahre zu arbeiten, auf geringerem Niveau, Arbeit, für die ich nie ein Studium gebraucht hätte. Ich habe mich immer wieder qualifiziert, um auf dem Arbeitsmarkt etwas anbieten zu können… Qualifikation und Erfahrung ist hier auf dem Arbeitsmarkt nicht wichtig. Wichtig sind Herkunft und Geschlecht. Die große Klappe muß man haben, bei der Arbeit nicht denken, egoistisch mit Ellenbogen kämpfen, die Kollegen beim Chef schlecht machen, dem Chef nach dem Mund reden um den nächsten vakanten Posten zu bekommen.

Wenn ich an Freunde denke, die beide nach 1989 immer nur minimal verdienten, der Mann oft arbeitslos war, unentgeltlich arbeitete, in der Hoffnung dann einen Arbeitsvertrag zu bekommen, sie stundenweise arbeitet… was werden die beiden wohl machen, wenn sie in die Rente gehen?

Dieser Staat nennt sich „Sozialstaat“ (Was ist an meiner berechneten Rente sozial?), zum Hohn auch „Rechtsstaat“ und „Demokratie“. Demgegenüber wird meine Heimat, die DDR, als „Unrechtstaat“ bezeichnet… es wird nie einen „Rechtsstaat“ für alle geben. Es wird immer Menschen geben, die bestehende Gesetze nicht anerkennen – für sie wird jeder Staat zum „Unrechtsstaat“. Wenn Demokratie nur bedeutet, daß man aller 4 Jahre zwischen einer Auswahl Parteien, die doch alle nur umsetzen, was Finanzhaie vorgeben, wenn man „Demokratie“ damit definiert, dann pfeif ich auf Demokratie. In diesem Staat gilt eines: „Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten.“ Man lullt die Menschen hier derart ein, von klein an, daß sie wirklich glauben, diese Scheinwahlen hätten etwas mit Demokratie zu tun. Und weil es eine „Rechtsprechung“ gibt, die dem Recht gewährt, der es zahlen kann und der einflußreich ist, hat das noch lange nichts mit Rechststaat zu tun. Die Rechtsprechung ist / war wohl in beiden Ländern, BRD und DDR, abhängig von Rang und Namen. An den kleinen Fischen demonstriert jeder Staat gern die eigene Größe…

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