2. Arbeitsstation – Tubo

Nur 3 Monate nach meiner Kündigung am Theater hatte ich ein sehr gutes Vorstellungsgespräch, wo der Geschäftsführer leider, denn das hätte mir gut gefallen, zu viel Zeit zum Überlegen brauchte, als ich  eine Arbeit über eine Zeitarbeitsfirma, allerdings über’s Arbeitsamt, angeboten bekam. Sonst hätte ich (noch) nicht den Willen gehabt, mich mit so einer Zeitarbeitsfirma einzulassen, mußte es in diesem Fall.

Es war das Bauunternehmen „TUBO Haus und Handwerk“ mit allen Gewerken unter einem Dach für die schwäbischen wohlhabenden Häuslebauer. Den Geschäftsführer, der die Firma einst mit 3 Leuten gründete (ein Türke), hatte die Bank einfach vor die Tür gesetzt, als dieser ein paar Millionen Umsatz im Jahr machte, um den Laden zu „sanieren“. Hinter vorgehaltener Hand wurde gemunkelt, nichts konkret ausgesprochen, wie man dem Türken zugespielt hatte, der bei allen Angestellten sehr beliebt war und tolle Löhne gezahlt hatte. Jeder sollte vom Kuchen ein Stück abhaben, das war sein Erfolgskonzept.

Die Bank schnürte die Kredite enger, versagte ihm wetere Kredite gänzlich unter fadenscheinigen Gründen, warf den Geschäftsführer schließlich vor die Tür (weil sie 51 % Ateile hatte, konnte sie das) und einen Banker zur Sanierung auf dessen Sessel. Es wurde ein neuer Geschäftsführer eingestellt, haufenweise Mitarbeiter entlassen, aber man brauchte jemanden, der neue Preislisten erstellte und diverse Dinge organisierte.

Man fand Gefallen an mir, ich setzte durch, nicht über die Zeitarbeitsfirma eingestellt zu werden, erhielt einen direkten Arbeitsvertrag als kaufmännische Angestellte. Zwar mußte ich auf 500 DM Gehalt verzichten, verdiente statt 4.500 DM nur noch 4.000 DM, sollte aber nach der Probezeit mein vorheriges Gehalt bekommen.

Ich saß mit dem Assistenten der Geschäftsleitung, einem sehr sympathischen Bauingenieur, zusammen im Nachbarzimmer von dem obersten Chef, dem Banker, Herr B. Mein Kollege, Herr St., und ich hatten vom ersten Tag an eine Wellenlänge. Es war ein sehr angenehmes Arbeiten, auch mit den anderen Angestellten des Handwerkbetriebes. Mit Freude fuhr ich täglich die ca. 35 km einfache Strecke, für die ich meist 1 Stunde Wegzeit brauchte.

Streß? – Wer einmal Theater geschnuppert hatte, empfand diese Arbeit als Erholung!.
An meinem dritten Arbeitstag lag frühmorgens ein Schokoladenriegel auf meinem Schreibtisch, darunter ein Zettel von der Sekretärin der Geschäftsführers: „Schön, daß Sie bei uns sind!“.

Nach ca. 3 Wochen Arbeit, mein Kollege war gerade auf irgendeiner Baustelle, betrat plötzlich  Herr B. mein Zimmer und bat mich um ein belangloses Gespräch. Er schüttelte mir die Hand und sagte: „Frau R., Sie sind eine echte Bereicherung für das Unternehmen!“. Ich wurde in Content-Management-Systemen geschult, erhielt weiterreichende selbständige Aufgaben und wurde fortan zu Sitzungen der Geschäftsleitung hinzugezogen. Herr B. befragte mich oft zu Problemen, wollte meine Meinung und manchmal auch meinen Rat einholen.

Mitarbeiter kamen zu mir, wenn sie Fragen rund um den PC hatten, ich half wo immer ich konnte, fühlte mich sauwohl. Auf einmal waren die hohen Kosten einer Computerfirma, die den Laden PC-mäßig betreute von vorher 4-stelligen Monatbeträgen fast auf 0 geschrumpft. Darauf war ich stolz.

Bis eines Tages ein zusätzlicher 2. Geschäftsführer eingestellt wurde. Der sah nicht nur so aus, er war bretzdoof – holte mich: sein Drucker wäre kaputt – und hatte lediglich vergessen, Papier einzulegen. Ein zweites Mal war sein Drucker wirklich kaputt – Nein! – er hatte den Stecker aus der Buchse gezogen! Dieser Typ hatte sich Lorbeeren bei der Abwicklung von Ostbetrieben verdient, indem er skrupellos ganze Belegschaften vor die Tür gesetzt hatte.

Es war klar, was er hier für eine Aufgabe zu erledigen hatte. Schmutzige Arbeit wird hierzulande gut bezahlt. Die Auswirkungen kamen promt. Da war einer geübt im Umgang mit Kündigungen. Eine junge Mitarbeiterin, immer guter Dinge, bekam eine erste Abmahnung , weil sie auf dem Gang zu laut gelacht hatte. Die zweite Abmahnung kam, als sie zu laut vor einer Tür fluchte. Sie lachte noch einmal auf dem Flur und erhielt die Kündigung. Das ist nur ein Besipiel das ich hautnah miterlebte.

Herr B. setzte weiterhin auf mich, wollte eine Kollegin aus dem IT-Bereich entlassen, weil deren Gehalt (14.000 Mark/Monat) zu hoch sei. Sie war selbständig und hatte mit dem alten Geschäftsführer der Firma TUBO einen guten Vertag ausgehandelt. Diese Frau hatte alles IT-mäßige aufgebaut, ihr Wissen nie weitergegeben und war dadurch alleinige Wissensträgerin auf ihrem Gebiet. Herr B. fragte mich nach meiner Meinung. Ich sagte: „Auch wenn sie jetzt in die Tischkante beißen, Sie können diese Frau nicht entlassen, wenn Sie das Unternehmen erhalten wollen. Sie haben schon so viele Leute entlassen, können in dieser Situation doch nicht auf alle Wissensträger verzichten.“ Möglicherweise habe ich damit mein eigenes Todesurteil ausgesprochen?

Ich sollte nach 6 Monaten Probezeit mehr Gehalt bekommen. 7 Monate waren vergangen, ich fragte beim Geschäftsführer an. Der erschrak – „Ist die Probezeit schon rum? Das haben wir ja verpaßt! Wie schnell die Zeit vergeht“. Lächelt und verläßt das Zimmer. Nur wenige Minuten später stand dieser neue bretzdoofe Unsympath im Zimmer, sagte kein Wort und reichte mir einen A-4 Zettel. – Meine Kündigung in nur 2 Sätzen! Ich rief ihm hinterher: „Tun sie sich und dem Unternehmen wenigstens den Gefallen und schreiben Sie hier einen Kündigungsgrund rein. So ist das Ding beim Arbeitsgericht der Renner.“ – Er grinste und bot mir eine Abfíndung in Höhe eines Monatsgehaltes an, die ich ablehnte. Der Geschäftsführer und auch Herr Bruder waren auf einmal nicht mehr zu sehen, nicht mehr zu sprechen; ich sah sie jedenfalls nie wieder.

Diese Kündigung kam so unerwartet und plötzlich, ich weiß bis heute nicht den Grund, daß sie sich auf der Stelle auf meinen Darm schlug, oben und unten floß es nur so raus aus mir – ich fuhr, mußte es, schleunigst nach Hause. Ein Monat über der Probezeit, da hat man zwar Kündigungsschutz, aber ich malte mir meine Chancen vor Gericht aus. Diesen Betrieb wollte ich nicht noch einmal betreten. Ich ließ mich krankschreiben. 2 Tage später wurde ich zum Vertrauensarzt geschickt, dieser Unsympath zweifelte an, daß ich krank sei. 3 Ärzte bescheinigten unabhängig voneinander meine Arbeitsunfähigkeit.

Datum: Samstag, 20. Februar 2010 19:00
Themengebiet: Arbeitsstationen im Westen des Landes Trackback: Trackback-URL
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